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Mahnmal soll an Terroropfer vom Breitscheidplatz erinnern


Auf dem Berliner Breitscheidplatz wird ein Mahnmal für die Opfer des Anschlags entstehen. Am 19. Dezember, dem Tag der Einweihung, bleibt der Weihnachtsmarkt geschlossen.

VON ANDREAS CONRAD

So ein in Metall gegossenes Gedenken wirft auch Probleme auf, man sieht es am Messing der Stolpersteine. Mit der Zeit nehmen sie Patina an, werden unansehnlich, mitunter geradezu unsichtbar zwischen all den Pflastersteinen, und sollen doch an die ermordeten jüdischen Mitbürger erinnern, die hier einmal gewohnt haben. Und solch eine der Witterung und allem anderen ausgesetzte Legierung soll das Hauptelement im offiziell „Gedenkzeichen“ genannten Erinnerungsort für die Terroropfer vom Breitscheidtplatz bilden? Diesen Riss, der von der Grundplatte des Gedächtniskirche über die Stufen hinunter auf den eigentlichen Platz, das viel benutzte Trottoir führt und gleichsam den Riss durch die Gesellschaft symbolisieren, an ihn erinnern soll, den der Anschlag vom 19. Dezember 2016 bedeutete?

Eine Frage, die man sich auch im Architekturbüro Merz/Merz gestellt hat, in dem der Siegerentwurf beim Wettbewerb um die Gestaltung des Gedenkzeichens entstanden ist. Zum einen sei die Kupfer-Zinn-Legierung anders als die bei den Stolpersteinen benutzte. Zudem sei der Ort stark frequentiert, werde häufig von den Bürsten der BSR-Fahrzeuge gereinigt und so ganz nebenbei poliert, erläuterte Pablo von Frankenberg, Vertreter des Architekturbüros, gestern im Roten Rathaus. Patina hat da keine Chance.

Wie in den Wettbewerbsregeln vorgeschrieben, werden der Siegerentwurf und die sechs weiteren Wettbewerbsbeiträge derzeit im Rathaus ausgestellt. Bis zum Jahrestag des Anschlags soll der Erinnerungsort fertig sein. In der vom Senat gebildeten Projektgruppe sei von Anfang an klar gewesen, dass er an der Gedächtniskirche entstehen solle, zurückhaltend und würdevoll zugleich, dass dabei die Hinterbliebenen einbezogen werden und die Opfer im Mittelpunkt stehen sollten, sagte Sawsan Chebli, als Staatssekretärin zuständig für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales. Schon aus Zeitgründen sei kein langwieriger Denkmalsprozess in Gang gesetzt worden. Die Hinterbliebenen seien in den Wettbewerbsprozess eingebunden, an der Entscheidung der Jury aber nicht direkt beteiligt gewesen. Der preisgekrönte Entwurf habe sie aber emotional am stärksten angesprochen. Auch die Nennung der Opfernamen werde von ihr begrüßt. Hier habe offenbar ein Prozess stattgefunden, ergänzte Martin Germer, Pfarrer der Gedächtniskirche. Anfangs hätten die Angehörigen eher eine anonyme Erinnerung gewünscht, das habe sich geändert.

Auch etwas Goldstaub wird in die Legierung gemischt

Der Kupfer-Zinn-Legierung werde mehr symbolisch etwas Goldstaub beigefügt, sagte Pablo von Frankenberg. Die Legierung werde zumindest teilweise direkt am Ort gegossen, unter Beteiligung der Hinterbliebenen, die dem Kunstschmied Michael Hammers den Goldstaub dann überreichen – ein zeremonieller Akt, ähnlich der kleinen Handvoll Sand, die ins Grab eines Gestorbenen geworfen wird. Hammers sei mit solchen sensiblen Arbeiten sehr erfahren, habe etwa das Kreuz der Grabeskirche in Jerusalem geschaffen und sei auch an der Sanierung der Staatsoper beteiligt gewesen – ebenso wie der Steinmetz, der für die Schriftzüge der Namen zuständig ist.

Diese bereiten anfangs nicht erwartete Probleme: Die Namen sollten mit den Herkunftsländern der Toten in die zur Kirche hinaufführenden Stufen eingefräst werden. Allerdings würde man dann sehr schnell auf die Armierungseisen des Betons stoßen, sodass man sich jetzt für erhabene Schriftzüge entschieden hat. Aus welchem Material genau, ist noch nicht ganz klar.

Kein Weihnachtsmarkt am Tag der Einweihung

Am 19. Dezember, dem Tag der Einweihung, wird dann kein Bratwurstdunst über die Breitscheidplatz ziehen, auch die Karussells stehen still: Am Jahrestag des Anschlags bleibt der Weihnachtsmarkt geschlossen. Dies sei mit den Schaustellern abgestimmt, für diese ohnehin selbstverständlich gewesen, hieß es gestern am Rande der Vorstellung der Entwürfe. Auch einen ungefähren Tagesplan für den 19. Dezember gibt es bereits, wie Staatssekretärin Sawsan Chebli sagte. Eröffnet wird der Erinnerungsort, dessen Kosten von 100 000 Euro das Land trägt, demnach mit einer nichtöffentlichen Feier im kleinen Kreis, an der auch die Angehörigen der Toten und beim Anschlag verletzte Opfer teilnehmen. Nach einer Andacht in der Kirche folgt eine öffentliche Feier, zudem ist im Abgeordnetenhaus eine Gedenkveranstaltung vorgesehen. Der Bund wird sich an den Veranstaltungskosten beteiligen und auch personell vertreten sein. Durch wen genau, steht noch nicht fest.

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