Geld für die Bezirke sollte anders verteilt werden
Bisher herrscht Willkür. Künftig sollten Bezirke so finanziert werden wie andernorts Kommunen – für mehr Wettbewerb. Ein Gastbeitrag. VON CHRISTIAN GRÄFF
Sofort wenn in Berlin die Frage nach der nicht immer ganz optimal funktionierenden Verwaltung gestellt wird, kommt – ganz typisch deutsch – die Systemfrage. Es muss alles ganz anders werden, weil es woanders (in den USA, in Asien, ja sogar in den europäischen Nachbarländern) mit der Bürokratie viel besser klappt.
Dabei würde schon ein Blick über die Landesgrenze Berlins oder in andere deutsche Bundesländer genügen. Für mich als jemand, der als Unternehmer in der freien Wirtschaft, Bezirkspolitiker und Abgeordneter gern den Kontakt zu den Nachbarn sucht, scheint die Lösung vieler Probleme viel einfacher zu sein: ein leistungsorientiertes Zuweisungssystem für die Bezirke und ein harter Schnitt mit einer Aufgabenkritik in Berlin.
Nur Berlin ist anders
Jede andere Kommune in Deutschland erhält ihre finanzielle Ausstattung nach Einwohnern (Anteile an der Einkommensteuer) und den dort angesiedelten Unternehmen (Anteile am Gewerbesteueraufkommen). Sie muss an den Landkreis und / oder das Bundesland eine Umlage für die Bereitstellung des öffentlichen Nahverkehrs, der Schulbildung und anderer Leistungen, die erbracht werden, zahlen. Nur in Berlin ist das anders.
Hier gibt es ein Zuweisungssystem, das nur eine gute Handvoll Leute wirklich verstehen und noch weniger Menschen steuern. Der Finanzsenator, gleich welcher Partei er angehört, weist den Bezirken Mittel zu, obwohl von vornherein klar ist, dass diese für die Erbringung der Leistungen nicht ausreichen.
Dies ist in der Kosten- und Leistungsrechnung klar nachweisbar. Er schüttet am Ende des Jahres über die Bezirke eine „Basiskorrektur“ mit mehr oder weniger Mitteln nach, damit die Bezirke je nach politischer Lage positive Ergebnisse oder auch mal Wahnsinnsschulden auftürmen.
Wer soll es da einem Mitarbeiter eines Bezirksamtes eigentlich verübeln, wenn er bei einem überfüllten Bürgeramt einem gut verdienenden Zuwanderer aus Schwaben achselzuckend einen Terminzettel für ein Date in 6 Monaten in die Hand drückt oder ein Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet schon mal 5 Jahre warten muss, bis das Unternehmen sich ansiedeln darf?
Was, wenn man, wie im gesamten Rest der Republik, das System umdrehen würde? Die Bezirke bekommen ihre Zuweisungen ausschließlich nach Köpfen (Anteile an der Einkommensteuer) und Unternehmen (Anteile an der Gewerbesteuer). Natürlich gibt es zwischen den Bezirken Unterschiede. Die bestehen auch zwischen Potsdam und Cottbus oder Dortmund und Düsseldorf.
Marzahn-Hellersdorf hat Gebiete mit den höchsten Einkommen in ganz Berlin – wie Biesdorf und Mahlsdorf-Kaulsdorf – und sozial schwächere Kieze wie Marzahn-Nord. In Tempelhof-Schöneberg und Marzahn gibt es mehr Industrie, in Mitte mehr wachsende Start-up-Unternehmen. Innerhalb der Einnahmen (nicht mehr „Zuweisung“) können die Bezirke selbst ihre Ausgabenprioritäten festlegen. Man stelle sich mal vor, was das auslösen könnte.
Nicht zu hart sein
Würde kein Unternehmen unter den derzeitigen Bedingungen nach Friedrichshain-Kreuzberg ziehen, weil Straßen dort verwahrlosen, oder würde sich die „Willkommensstimmung“ in der Kommunalpolitik dort radikal ändern? Was für ein aufregender Gedanke. Wirklicher Wettbewerb wie im Rest der Republik. Und die Senatsverwaltungen wären eine wirkliche Ministerialbürokratie, die sich um die Abstimmung der Bezirke und Kernaufgaben der Landesregierung kümmern müsste. Verbunden mit der Frage: Welche Aufgaben sind uns wichtig und welche müssen wir erbringen? Bei bis zu 40 Prozent Abgängen in der Berliner Verwaltung glaubt doch wohl niemand ernsthaft, dass wir im Wettbewerb mit den Bundesbehörden, der freien Wirtschaft und dem Land Brandenburg auch nur den größten Teil der frei werdenden Stellen wieder neu besetzen können.
Was für eine Dynamik, Aufbruch und ein Mentalitätswechsel. Natürlich müsste man den Bezirken garantieren, dass sie für zwei Jahre auf keinen Fall weniger Geld bekommen. Wir wollen ja nicht zu hart sein!