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Forsa-Umfrage: CDU und SPD stehen unter Druck – und legen dennoch zu


Von Sabine Rennefanz - Es ist ja ein sehr traditionelles, sehr deutsches Mittel der Politik, daran wurde man erst jüngst zum 500. Jubiläum des Reformationstages erinnert: Man schreibt einen Beschwerdebrief, klebt oder hämmert ihn an die Tür, und fertig, schon hat man sich für immer verewigt.

Von dieser Methode hat sich auch die Berliner FDP inspirieren lassen, sie nennt ihre Beschwerde allerdings „Brandbrief“, das klingt noch alarmierender.

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja wirft in einem solchen Brandbrief dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) Arroganz und Inkompetenz vor und legt ihm den Rücktritt nahe. „Damit Ihre Zeit als Regierender Bürgermeister nicht als Tiefpunkt in unsere Stadtgeschichte eingeht, sollten sie endlich die großen Probleme unserer Stadt angehen oder Ihren Platz für einen fähigeren Kollegen freimachen“, schreibt Czaja in seiner Beschwerde, die er nicht an die Zentrale der SPD hämmerte, sondern modern per Email verschickte. Ob man sich daran aber noch in fünfhundert Jahren erinnern wird?

Nun braucht der Regierende Bürgermeister keinen Mann von der FDP, um öffentlich angemault zu werden, das erledigen seine Parteifreunde schon selbst. Erst vergangene Woche warfen zwei Genossen dem Parteichef Müller Fehler vor.

Stimmung bei der SPD schlecht

Seit dem verheerenden Berliner Ergebnis bei der Bundestagswahl Ende September und der gleichzeitigen Niederlage im Volksentscheid um die Offenhaltung von Tegel ist die Stimmung bei der SPD noch schlechter als zuvor. Zu den akuten Problemen kommen auch noch die Dauerbrenner der Stadt hinzu, wie Wohnungsnot, mangelhafte Schulen, schlechtes Verwaltungsmanagement.

Schon nach einem knappen Jahr wirken die Koalitionäre müde und ideenlos. Das ist alles richtig, nun muss man aber nach Analyse der Forsa-Daten vom Oktober sagen: Die Unzufriedenheit mit Michael Müller innerhalb der politischen Szene deckt sich nicht unbedingt mit der Stimmung in der Stadt.

In der Beliebtheitsskala, die die Berliner Zeitung jeden Monat gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut erhebt, konnte er sich im Oktober ein wenig verbessern. Besonders die eigenen Anhänger bewerten ihn positiver als im Vormonat.

Womöglich resultiert dieser Stimmungsumschwung schlicht aus Pragmatismus: Solange es an Alternativen mit eigenen politischen Mehrheiten mangelt, muss man sich mit dem arrangieren, was man hat. Kennt man ja aus dem eigenen Leben.

Michael Müller immer noch nur im Mittelfeld der Top-Politiker

Allerdings rangiert Müller immer noch nur im Mittelfeld der Top-Politiker der Stadt. An der Spitze steht unangefochten Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei), die beliebteste Politikerin der Stadt heißt Ramona Pop, sie ist auch die erfolgreichste Grünen-Politikerin. Die Umfrage wurde vom 17. bis 26. Oktober durchgeführt. Befragt wurden 1011 Berliner.

Nach dem desaströsen Bundestagswahlergebnis, bei dem die SPD in Berlin nur auf missliche 17,9 Prozent kam, scheint sich die Lage für die Partei zu stabilisieren. Würde am Sonntag in Berlin erneut für den Bundestag gewählt, könnten die Sozialdemokraten gegenüber dem Vormonat leicht zulegen und kommen auf 20 Prozent, liegen damit aber immer noch hinter der CDU (23 Prozent).


Auch bei einer möglichen Wahl fürs Abgeordnetenhaus legt die SPD geringfügig zu. Auch wenn man die übliche Fehlertoleranz bei Umfragen (plus/minus drei Prozentpunkte) mit einrechnet, kann man davon sprechen, dass die negative Tendenz der SPD beendet zu sein scheint: Gäbe es nächsten Sonntag Abgeordnetenhauswahlen, käme die SPD auf 19 Prozent. Die beiden anderen Koalitionspartner, Grüne und Linke, verlieren leicht.

Stärkste Partei würde die CDU werden, was vor allem die Parteivorsitzende Monika Grütters freuen dürfte, die sich zuletzt viel Kritik an ihrem Wahlkampf anhören musste. Allerdings entspricht der Vorsprung der CDU nur einem Prozentpunkt.

Rot-Rot-Grün hätte immer noch eine Mehrheit

Von der Unzufriedenheit kann die größte Oppositionspartei also nicht sehr stark profitieren. Das dürfte den innerparteilichen Kritikern in der CDU Auftrieb geben, die mit der Arbeit von Fraktionschef Florian Graf unzufrieden sind und sich eine stärkere Fokussierung auf Landesthemen wünschen.

Bei aller Kritik an der SPD gilt auch im Oktober: Gäbe es Neuwahlen, käme man an den Sozialdemokraten als Koalitionspartner nicht vorbei. Und Rot-Rot-Grün hätte immer noch eine Mehrheit, eine knappe zwar, aber eine Mehrheit.

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